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Die Pflege – nur noch ein Produkt? Das Geschäft mit der Gesundheitsbranche.

Die Zeiten in denen Pflege um des Menschen Wohl betrieben wurde, sind vorbei. Vielen ist nicht bewusst, dass hinter dem Pflegenotstand samt seiner Mängel- und Überlastungserscheinungen nicht nur reine Personalnot steckt, sondern ein abschreckendes System. Ein System, in dem Investoren und Kapitalanleger die Medizin- und Pflegebranche zu einem Geschäftsfeld gemacht haben.

Wie konnte es dazu kommen, dass aus der Pflege ein Geschäft wird?

„Jahrhundertelang war die Pflege Sache der Familie, der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände. Inzwischen drängen internationale Kapitalanleger in den Markt.“ schreibt die Tagesschau.
Als 1995 die Pflegeversicherung eingeführt wurde, haben wohl die wenigsten damit gerechnet, wohin dies einmal führen würde. Der Markt wurde damals für private Anbieter geöffnet, weil Politik und Staat die expandierende Pflegebedürftigkeit nicht mehr allein stemmen konnten und wollten. Das Ziel des Gesetzgebers war es, die wachsende Zahl von Pflegebedürftigen finanziell abzusichern und den Ausbau von dringend benötigten Pflegeeinrichtungen voranzutreiben.

Immer mehr städtische und öffentliche Träger traten und treten zudem ihre Einrichtungen aus wirtschaftlichen Gründen an private Investoren ab. Sie können die bisher gewohnt sichere Pflege nicht mehr betreiben, ohne sich dabei völlig zu verschulden. Ein verständlicher Selbstschutzmechanismus auf der einen Seite, eine folgenschwere Problemverlagerung auf der anderen Seite.

Warum wird in den Pflegesektor investiert?

Die Pflegebranche ist ein Schlaraffenland für Betreibergesellschaften, die Gewinne erwirtschaften wollen.
Hier ist viel zu holen: Anlagen gelten als vergleichsweise sicher. Knapp dreieinhalb Millionen Pflegebedürftige gibt es Stand jetzt. Bis 2050 dürften es Schätzungen zufolge mehr als fünf Millionen werden, die versorgt werden müssen. Entweder privat, staatlich oder solidarisch finanziert. 2017 gab es deshalb so viele Eigentümerwechsel wie nie zuvor.

Die drängende Frage: Wie wird Gewinn generiert?

Indem die Einrichtungen wie Fabriken gemanagt werden. Je nach Träger beginnen die jährlichen Renditeerwartungen bei drei Prozent – die Tendenz ist steigend. In fast allen privaten Klinikketten, beispielsweise bei Helios, Sana oder Schön, werden Gewinnmargen um die zwölf Prozent und mehr veranschlagt.

Wie das erreicht wird?

Durch gnadenlose Kosten- und Personaleffizienz, rücksichtslose Rationalisierung in allen Bereichen und durch das bewusste Hinnehmen eines merklichen Qualitätrückgangs der Pflege. Ein strenges Kostenregiment verbreitet Druck auf allen Ebenen.
Pflegekräfte werden in erster Linie als Kostenfaktor gesehen, Ärzte an den Gewinnen und der Wirtschaftlichkeit gemessen und Patienten als Fallpauschalen behandelt.

Die Pflege scheint nur noch ein Produkt zu sein. Ein Produkt, dessen Qualität nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Missstände sind keine Ausnahme mehr, sondern eher die Regel.

Die Pflege – nur noch ein Produkt?

Auch wenn es perfide klingt: Je kränker die Patienten sind, desto besser für die Einrichtungen, denn so kann mehr Profit eingestrichen werden. Weniger Kranke spülen vergleichsweise wenig Geld in die Kassen und sind so eine Last für den einzuhaltenden Finanzplan. Hier ist es dann die Aufgabe der Ärzte und Pflegekräfte, die Dauer der Bettenbelegung gering zu halten.

Die Chefärzte stehen zudem in der Pflicht, ihre Station wirtschaftlich zu halten. Renditeschwache Abteilungen werden kurzerhand geschlossen. Das ist bei weitem kein Einzelfall mehr.

Die Menge des Pflegepersonals wird schon seit Jahren aus ökonomischen Gründen auf einem Minimum gehalten. In der Vergangenheit wurden deshalb sogar viele Stellen abgebaut und weniger Pflegekräfte ausgebildet. Das rächt sich spätestens jetzt.

Zwei Pfleger, die auf 30 Patienten kommen reichen schlicht und einfach nicht aus, um eine sichere Pflege zu garantieren. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass bis zum Jahr 2030 300.000 offene Stellen in der Pflegebranche zu besetzen wären.

Die Investoren, die alleinigen „Bösen“?
Jein. Es gibt viele schwarze Schafe unter den in- und ausländischen Investoren. Solche, die die Renditen gnadenlos in die Höhe peitschen – aber auch genug weiße, die die Pflegebranche voranbringen wollen. Die aktuell herrschenden Umstände allein auf sie abzuwälzen wäre also zu kurz gedacht.

Das Problem liegt genauso in der Gesundheitspolitik, die sich viel zu lange aus der Verantwortung gezogen hat. Subventionen in Milliardenhöhe wären nötig. Die Zeichen der Zeit wurden stattdessen eklatant verkannt – oder ignoriert.

Die Zukunftsaussichten? Das Geschäft mit der Pflege wird weiterhin boomen!

Laut Meurer, dem Präsidenten des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, braucht es die privaten Investoren deshalb dringend, um die Zukunft der Pflege zu bewerkstelligen. „Wir brauchen in den nächsten Jahren an die 100 Milliarden Euro an Investitionen nur in die Infrastruktur.“ Neue Pflegeheime müssten gebaut, alte renoviert werden. „Wer sonst“, fragt Meurer, „soll denn stattdessen investieren?“

 

Quellen:

https://www.zdf.de/nachrichten/heute/private-investoren-bei-deutschen-pflegeheimen-100.html
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/profite-pflege-101.html
http://www.spiegel.de/spiegel/asklepios-klinikkonzern-der-kranke-konzern-a-1126679.html
https://www.tagesschau.de/inland/btw17/pflege-notstand-101~_origin-63479096-16cb-433a-9369-66ceb15397db.html

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